Kindersoldaten kennt man üblicherweise aus Kriegsgebieten. Die Kindersoldaten in Rio de Janeiro, Brasilien, sind es bis an ihr Lebensende.
In Rio leben mehr als 7 Millionen Menschen in Elendsvierteln (Favelas), das sind 50 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die meisten von Ihnen sind sozial ausgeschlossen und haben keinen Zugang zu Basisdienstleistungen wie Bildung und Gesundheitsvorsorge oder Gerichtsbarkeit. Für die dort lebenden Kinder und Jugendliche ist die Verwicklung in den Drogenhandel eine der wenigen Möglichkeiten, soziale Anerkennung und finanzielle Mittel zu erlangen. Fast 15.000 Kinder und Jugendliche sind nach einer Studie von 2010 bewaffnet und unbewaffnet für verschiedene Drogenkartelle tätig. Unter ihnen sind knapp 18 Prozent weiblich. Nur etwa jedes fünfte Jugendliche erreicht das 21. Lebensjahr (Quelle: Ourchild-Kooperationspartner IBISS, Instituto Brasileiro de Inovações em Saúde Social).
Der Hauptgrund für die hohe Todesrate ist der Verlust in den Kämpfen gegen die Polizei und gegen andere Banden. Einige Kindersoldaten sterben auch, weil sie als Verräter und Überläufer zur Abschreckung von den Drogenbossen und ihren Stellvertretern hingerichtet werden. Kindersoldat in Brasilien zu sein, wird inzwischen selbst von der Welt-Arbeitsorganisation (WLO) als „hochriskante Ausbeutung von Arbeitskraft“ eingestuft.
Im Jahr 2006 eskalierte eine Auseinandersetzung zwischen den etablierten Drogenkartellen und einer neuen Gruppe aus ehemaligen Polizisten und ein schrecklicher Krieg begann, bei dem noch im selben Jahr 38 000 Tote gezählt werden mussten. Seit Ende des Jahres 2010 hatte Rio de Janeiro eine neue Polizeitruppe, die so genannte Friedenspolizei UPP (Unidade de Policia Pacificadora) zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit im Einsatz. Die meisten Mitglieder und Führer der Drogenkartelle flüchteten daraufhin in andere Favelas, weswegen einige von Kriminellen und Drogenbanden überschwemmt sind. In dem von Ourchild unterstützten Stadtviertel Vila Nova zum Beispiel waren bis zu 300 schwer bewaffnete Kindersoldaten im Einsatz. Die meisten kamen aus dem Complexo da Penha, und weil für sie alle nicht genug Platz war, kämpften sie häufig auch gegeneinander. Für die Einwohner von Vila Nova war dies sehr belastend. Sie kennen die Kindersoldaten nicht und haben gleichzeitig Angst, dass die Polizei einfällt.
Die Aufgabe von Ourchild e.V. mit unserem Projektpartner IBISS war es, jungen Menschen aus Elendsgebieten die Möglichkeit zu geben, in einer gesunden Lebensumgebung aufzuwachsen, wo Krankheiten und soziale Ungerechtigkeit bekämpft und die Menschenrechte respektiert werden. Für die spezifische Gruppe der Kindersoldaten war es das Ziel, sie aus der Hand der Drogenmafia zu befreien und sie für ein Leben als Mitglied in der Gesellschaft vorzubereiten.
Das Projekt „Nie mehr Kindersoldaten“ ermöglichte Kindern und Jugendlichen Arbeit und Bildung, ohne dass sie aus ihrem sozialen Umfeld gerissen werden. Die einzelnen Kindersoldaten wurden insgesamt fünf Jahre lang betreut. Dafür wurden zwölf Kontaktpersonen sowie fünf weitere Mitarbeiter, die mit speziellen Therapien die in der Regel hoch traumatisierten jungen Menschen unterstützen, beschäftigt. Zusätzlich begleiteten zwei Anwälte die Arbeit juristisch.
ZAHLEN
Die unerwartet hohen Beteiligungs- und Erfolgszahlen überraschten die Organisation selbst anfänglich. Unter den mehr als 3.000 Personen, die seit dem Beginn 2002 das Projekt verließen, liegt die Rückfallquote bisher bei nur 3,8 Prozent. 2012 befanden sich ungefähr 350 Kinder und Jugendliche im Programm und es konnten bisher 468 ehemalige Kindersoldaten aus der Betreuung entlassen werden.
Allein die Umschulung der Betroffenen dauert drei Jahre. In dieser Zeit benötigen sie finanzielle Zuwendung von außen, um die Schule, Lehre oder Therapie ohne Unterbrechung vollenden zu können. Finanzielle Patenschaften, die Ourchild für einzelne Kindersoldaten vermittelte, waren grundlegend notwendig für den Erfolg dieses Projektes. Eine Patenschaft von 50 Euro pro Monat über drei Jahre hinweg ermöglichte eine abgeschlossene Resozialisierung.
Projektberichte & Medien: Nie mehr Kindersoldaten
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